Immer wieder in den letzten Jahren legte ich den „Dornteufel“ beiseite.
Immer wieder hatte ich das Gefühl, der Stoff war mir zwar klar, aber ich schien ihn noch nicht zu 100% zu „besitzen“, immer wieder hakte es an der gleichen Stelle. Und auf selbiger schien ich zu treten. Diverse Literatur zum Thema, psychologische Ratgeber zur Thematik, herkömmliche Dramaturgengespräche halfen mir nicht bei der Lösung des Problems. Es wollte einfach kein genialer Schluss für das Buch entstehen.
Wie zwei Engel in dunkler Nacht kamen dann Arno Aschauer und Gerhard Kapl in mein Leben und wir legten eine „Timeline“ für den „Dornteufel“. Und sie war genau das richtige Werkzeug, nach dem ich so lang gesucht hatte. Durch die gezielten, aber neutralen Fragen, das Auslegen der Figuren in einem großen Raum, erschlossen sich diese auf einmal viel besser, und damit der ganze Stoff.
Das System der „Timeline“ ist ein wunderbares. Man durchlebt die Konflikte der Figuren, erspürt ihr ganzes Leben, ihre Beziehungen zueinander. Und man erlebt sie hautnah am eigenen Körper. Arno Aschauer und Gerhard Kapl stellen Fragen und bringen damit neue Impulse von außen. Die Antworten geben einem die Figuren und damit man selbst. Kein starres Diktat eines Dramaturgen, keine Syd Field’schen Strukturabklopfereien. Im Raum sind nur die Figuren, ihre Geschichte und ihr Weg. Was dabei herauskommt erzählt dann – wie selbstverständlich – von ganz alleine eine perfekt strukturierte Geschichte.
Als Autorin sitzt man für gewöhnlich sehr viel vor seinem Computer. Vielleicht geht man noch durch die Wohnung, durch den Park, aber beim Schreiben sitzt man. Bei der „Timeline“ ist man in Bewegung, man geht zwischen den Figuren und ihren Lebensstationen hin und her. Dadurch haben sich mir vor allem die Räume in meinem Buch neu erschlossen. Ich fühlte auf einmal, an welchen Stellen Distanzen oder Nähen zwischen den Figuren entstehen mussten, wo noch keine waren. An welcher Stelle eine Figur sich körperlich anstrengen musste, um die andere zu erreichen, stimmlich oder körperlich. Das war mir ein sehr großer Eindruck, denn das hatte ich bisher vor meinem Computer nicht in diesem Ausmaß wahrnehmen können.
Was jedoch bei meinem Buch endlich zum gewünschten, fulminanten Schluss geführt hat, war etwas sehr Stilles, das sich aus der „Timeline“ ganz klar ergab: Die „Umgewichtung“ der Figuren. Dieses Ausbalancieren und Neugewichten der Hauptcharaktere war die Lösung meines Problems. War ich vorher eingefahren in meiner Denkstruktur, so erzählten mir die Figuren während der „Timeline“ jedoch etwas anderes.
Und siehe da: Jetzt ist es ihre Geschichte!
Mag. art Sonja Strohmaier
Geboren 1975 in München.
2004 Diplom „Regie“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Klasse Glück/Haneke.
Lebt und arbeitet in Wien.
Foto Dornteufel: ©Falk Sablowski
Malerei Dornteufel: ©Stella Glitter